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Politik

Sicherheitsgesetz für Hongkong erläutert

Dang Yuan
8. Juni 2020

Das kommende neue Sicherheitsgesetz für Hongkong ist Pekings bislang massivste Entscheidung zur Eindämmung der dortigen Demokratiebewegung. Erläuterungen zu gesetzlichen Grundlagen und zur Kritik.

Hongkong | Gedenken an das Tian’anmen-Massaker
Bild: Getty Images/AFP/A. Wallace

Was hat der Nationale Volkskongress, Chinas Scheinparlament, konkret beschlossen?

Der Beschluss mit 2878 Ja- und einer Neinstimme sowie sechs Enthaltungen beinhaltete rein formal nur, den Ständigen Ausschuss des NVK mit der Ausarbeitung eines nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong zu beauftragen.

Die offizielle Bezeichnung lautet "Gesetz über die Schaffung des Rechtssystems und der Durchsetzungsmechanismen für die Sonderverwaltungsregion (SVR) Hongkong zum Schutz der nationalen Sicherheit." Mit anderen Worten, die Sicherheit ganz Chinas soll durch konkret auf Hongkong bezogene Maßnahmen und gesetzliche Regelungen geschützt werden.

Deshalb werden diese einzelnen Bestimmungen sobald sie ausgearbeitet sind in den Anhang des Hongkonger Grundgesetzes (Basic Law) eingefügt. Damit erlangen sie auch in Hongkong, das theoretisch über weitreichende Autonomie in inneren Angelegenheiten verfügt, gesetzliche Gültigkeit. Experten rechnen damit, dass es im Laufe des Sommers soweit sein wird.

Mit 2878 Ja-Stimmen wurde der Beschluss für ein Sicherheitsgesetz in Hongkong bei nur einer Gegenstimme und sechs Enthaltungen vom NVK verabschiedetBild: Reuters/C.G. Rawlins

Was wird das neue Sicherheitsgesetz beinhalten?

Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua hat das neue Gesetz folgende Ziele: Es soll "Handlungen wirksam verhindern, beenden und bestrafen, welche die nationale Sicherheit gefährden." Zu solchen Handlungen gehören "Spaltung des Landes, Untergrabung der Staatsmacht, die Planung und Ausführung terroristischer Akte und weitere Handlungen, die eine schwerwiegende Gefährdung der nationalen Sicherheit beinhalten". Des Weiteren wende sich China "entschieden gegen jegliche Einmischung ausländischer und externer Kräfte in die Angelegenheiten der SVR Hongkong und wird entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen."

Ein besonders umstrittener Punkt: Laut dem NVK-Beschluss sollen in Zukunft die "zuständigen Sicherheitsorgane" des Festlandes -"wenn benötigt" - in Hongkong Vertretungen errichten können, um ihre "Pflichten zum Schutz der nationalen Sicherheit im Einklang mit den Gesetz zu erfüllen." Beamte des Festlandes hätten damit polizeiliche Kompetenzen in Hongkong, was eine Abkehr von der bisherigen Praxis wäre. Auch ob sie dabei von lokalen Hongkonger Gesetzen eingeschränkt wären, wird von Kritikern bezweifelt.

Die Stimme nach der Unabhängigkeit Hongkongs wird immer lauter. Kommt das Sicherheitsgesetz, wäre die Forderung ein StraftatbestandBild: picture-alliance/AP Photo/K. Cheung

Darf Peking das Sicherheitsgesetz für Hongkong beschließen, und warum jetzt?

Ja, Peking kann sich dabei auf das Hongkonger Grundgesetz und die chinesische Verfassung berufen. Laut letzterer ist die Sonderverwaltungsregion Hongkong Bestandteil Chinas. Artikel 18 des Grundgesetzes legt fest, dass nationale Gesetze auch in Hongkong gelten, wenn sie in den Anhang III des Grundgesetzes aufgenommen werden. Über die Aufnahme und Entfernung solcher nationaler Gesetze entscheidet der Ständige Ausschuss des NVK in Abstimmung mit der Hongkonger Regierung. Da diese handverlesen von Peking ist, ist Widerstand von dieser Seite nicht zu erwarten. Dementsprechend hat die Hongkonger Regierung noch am Tag der Abstimmung den NVK-Beschluss begrüßt und ihre Mitwirkung zugesagt. 

Hongkong bzw. dessen Parlament (Legco) war eigentlich laut Grundgesetz aufgefordert, aus eigener Kraft ein Sicherheitsgesetz für die SVR zu verabschieden. Dazu ist es jedoch nie gekommen. 2003 hatte eine entsprechende Initiative der Regierung eine halbe Million Hongkonger gegen eine befürchtete Aushöhlung der Autonomierechte auf die Straße getrieben.

Bei den Legco-Wahlen im kommenden September besteht aus Sicht Pekings die "Gefahr", das der pro-demokratische Block eine Mehrheit im Stadtparlament erringt und damit einen erneuten Versuch der Regierung, ein eigenes Sicherheitsgesetz durchzubringen, scheitern lässt. Deshalb jetzt die von Peking oktroyierte Lösung. Peking will allerdings den Anschein von Autonomie Hongkongs aufrechterhalten und besteht weiterhin auf der Verabschiedung eines "eigenen" entsprechenden Gesetzes durch Hongkong. Dieses könnte aber allenfalls das nationale Gesetz nur ergänzen und niemals mit diesem konkurrieren.

China unter Xi Jinping

02:11

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Warum sind die Ängste vor Missbrauch des Sicherheitsgesetzes in Hongkong so groß?

Wenn ein Bürger Hongkongs mit der Zentralregierung und der Hongkonger Stadtverwaltung unzufrieden ist und deswegen auf der Straße friedlich protestiert, kann sich bisher sicher sein, dass er von seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Demonstrationsfreiheit Gebrauch macht und nicht strafrechtlich verfolgt wird. Kommt das neue Sicherheitsgesetz, könnte dasselbe Verhalten unter Umständen als "Untergrabung der Staatsgewalt" gedeutet werden.

Ob ein folgendes Verfahren fair und transparent ablaufen würde, ist die Frage. Die Anhörungen könnten unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, da es um die "nationale Sicherheit" geht.

Es besteht auch die Befürchtung, dass jeder Hongkonger, der einmal auf die Straße gegangen und gegen die Pekinger Zentralregierung protestiert oder sich negativ über die Kommunistische Partei Chinas geäußert hat, strafrechtlich belangt werden könnte. 

Reiespass von Hongkong (l.) und ein britischer ReisepassBild: picture-alliance/Pacific Press Agency/C. Long Hei

Großbritannien will etwa drei Millionen Hongkongern die Einbürgerung erleichtern. Was steckt dahinter?

Die Hongkonger sind zwar chinesische Staatsbürger, haben aber den Reisepass der Sonderverwaltungszone Hongkong, mit dem man zum Beispiel visafrei in die Schengen-Staaten nach Europa einreisen darf, also auch nach Deutschland. Besitzer chinesischer Reisepässe brauchen hierfür ein Visum. An der Grenze zwischen Hongkong und Festlandchina finden Pass- und Zollkontrollen statt.

Derzeit besitzen etwa 350.000 Hongkonger einen sogenannten Pass britischer Bürger im Ausland (British Nationals / Overseas - BNO), weitere 2,5 Millionen könnten ihn beantragen. Der Status als britische Bürger im Ausland stammt aus der Zeit vor der Übergabe an China am 1. Juli 1997, als Hongkong noch britische Kronkolonie war. Er betrifft nur bis zu diesem Datum geborene Hongkonger.

Der BNO-Pass ermöglicht bis zu sechs Monaten einen visumfreien Aufenthalt in Großbritannien. Der britische Premier Boris Johnson will BNO-Inhabern künftig zwölf Monate Aufenthalt samt Zugang zum Arbeitsmarkt gewähren. Damit wäre der Weg zur normalen britischen Staatsbürgerschaft frei. Dies könnte für viele Hongkonger, die sich zu Hause wegen der zunehmenden Einflussnahme Pekings nicht mehr wohl fühlen, eine attraktive Alternative sein. China hat lautstark Protest gegen Johnsons Pläne eingelegt und mit Gegenmaßnahmen gedroht.