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PolitikUkraine

Ukraine: Neues Mobilisierungsgesetz ohne Entlassungsregel

12. April 2024

Die Ukraine braucht dringend neue Soldaten. Das Parlament hat nun das Mobilisierungsgesetz verschärft. Die Opposition stimmte dagegen. Grund: Die Regelung zur Entlassung von Soldaten wurde kurzfristig gestrichen.

Vier ukrainische Soldaten mit Rucksäcken am Bahnhof in Lwiw (Archivfoto)
Ukrainische Soldaten am Bahnhof in Lwiw (Archivfoto)Bild: Yuriy Dyachyshyn/AFP via Getty Images

"Nehmen Sie dieses Gesetz an, wir brauchen es dringend. Wir verteidigen uns mit letzter Kraft", forderte Generalleutnant Jurij Sodol vor Beginn der Abstimmung im Plenarsaal des ukrainischen Parlaments. Die Zahl der russischen Besatzer sei sieben- bis zehnmal höher als die Zahl der ukrainischen Soldaten auf dem Schlachtfeld. Die ukrainischen Streitkräfte, so Sodol, seien unterbesetzt.

Die Abgeordneten folgten seinem Appell und beschlossen am 11. April die verschärften Regeln zur Mobilisierung. Ende Januar hatte sie die Regierung als Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht. Zuvor hatten die Parlamentarier die ganze Nacht in einem fast leeren Saal über mehr als viertausend Änderungsanträge beraten. Das Gesetz kann nun einen Monat nach der Unterzeichnung durch Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kraft treten.

Mobilisierungsgesetz sieht neue Verfahren, Geldbußen und Belohnungen vor

"Das Gesetz ändert das Verfahren für die Eintragung in die Wehrkartei und die Regeln für die Einberufung in die Armee. Es führt Gründe für den Aufschub und die Entlassung aus dem Wehrdienst ein, es aktualisiert die Liste der Personen, die für die Einberufung in die Reserve in Frage kommen. Schließlich schränkt es die Möglichkeiten ein, sich dem Wehrdienst zu entziehen", sagt Pawlo Frolow, Abgeordneter der Regierungspartei "Diener des Volkes".

Das Parlament der Ukraine hat das neues Gesetz über die Mobilisierung gebilligtBild: TASS/IMAGO


Wer es versäumt, seine Daten bei den territorialen Ersatzämtern der Armee zu aktualisieren, dem kann zum Beispiel per Gerichtsbeschluss der Führerschein entzogen werden. Dies ist allerdings nur möglich, wenn das eigene Fahrzeug nicht die Haupteinnahmequelle darstellt. Wer sich während des Kriegsrechts der Einberufung entzieht, muss künftig mit Geldstrafen zwischen 17.000 und 22.500 Hrywnja (umgerechnet rund 400 bis 530 Euro) rechnen. Und die Bearbeitung von Dokumenten, Ausweisen und Pässen in ukrainischen Auslandsvertretungen ist nur möglich, wenn gleichzeitig die persönlichen Daten im Wehrregister aktualisiert werden.

Als Anreiz für die Ableistung des Wehrdienstes sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, sich selbst eine Einheit in der Armee auszusuchen und einen entsprechenden Vertrag mit dem Verteidigungsministerium abzuschließen. Außerdem sind zusätzlicher Urlaub und eine Belohnung für die Zerstörung oder Erbeutung feindlicher Waffen oder Ausrüstung vorgesehen.

Opposition warnt vor sinkender Motivation

Das Gesetz wurde allerdings in abgeänderter Form verabschiedet. Ursprünglich enthielt es auch eine Regelung zur Entlassung von Soldaten, die während des Kriegsrechts bereits 36 Monate im Dienst waren. Am Vorabend der Abstimmung strich der zuständige Parlamentsausschuss jedoch die entsprechende Bestimmung. Zuvor hatten der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Oleksandr Syrskyj, und Verteidigungsminister Rustem Umerow darum gebeten, ein separates Gesetz zur Rotation und Demobilisierung zu beschließen.

Diese Änderung wurde von der Opposition kritisiert, die sich weigerte, für den Gesetzentwurf in dieser Form zu stimmen. "Das Recht auf Entlassung ist ein wichtiger Motivationsfaktor. Die 'Diener des Volkes' und ihre Satelliten haben den Militärs und ihren Familien einfach ins Gesicht gespuckt", schrieb Iryna Heraschtschenko, eine der Vorsitzenden der Oppositionsfraktion "Europäische Solidarität", auf Telegram.

"Natürlich wird niemand seine Waffen wegwerfen und von der Front nach Hause gehen. Das ist unwahrscheinlich und wird definitiv nicht passieren. Aber es gibt natürlich Probleme mit der Motivation. Unter den Soldaten, die an der Front kämpfen, wird die Motivation definitiv sinken. Auch bei denen, die man mobilisieren will, wird es an Motivation fehlen", sagt Ihor Rejterowytsch, Politikwissenschaftler der Taras-Schewtschenko-Universität in Kiew.

Viele neue Regeln für Wehrpflichtige beschlossen

Eine Woche zuvor war in der Ukraine das Gesetz zur Absenkung des Einberufungsalters von 27 auf 25 Jahre in Kraft getreten. Der ukrainische Präsident unterzeichnete es fast ein Jahr nach seiner Verabschiedung. Er unterschrieb zudem ein Gesetz, das es dem Verteidigungsministerium ermöglicht, Daten über Bürger im Alter von 17 bis 60 Jahren aus verschiedenen staatlichen Registern zusammenzutragen. Alle Daten müssen in einem elektronischen Konto des Wehrpflichtigen systematisch gespeichert werden.

Eine weitere Neuerung der vergangenen Wochen ist die Abschaffung der Kategorie "eingeschränkt wehrdienstfähig". Das entsprechende Gesetz, das vom Präsidenten unterzeichnet wurde, verpflichtet Männer, die bisher als "eingeschränkt wehrtauglich" eingestuft wurden, sich innerhalb von neun Monaten erneut einer Musterung zu unterziehen. Die Ärzte müssen sie dann entweder als "wehrtauglich" oder als "wehruntauglich" einstufen. 

Experten zufolge ermöglicht das neue Gesetz eine Verjüngung der ArmeeBild: Oleksandr Ratushniak/REUTERS

Weitere unpopuläre Maßnahmen könnten nötig sein

Iwan Jakubez, ehemaliger Kommandeur der ukrainischen Luftstreitkräfte und Oberst der Reserve, geht davon aus, dass die Ukraine angesichts der anhaltenden Aggressivität Russlands zu weiteren unpopulären Maßnahmen gezwungen sein wird. Die Altersgrenze zur Mobilisierung könnte möglicherweise noch auf bis zu 21 Jahren sinken.

Seiner Meinung nach brauchen die Streitkräfte der Ukraine so schnell wie möglich zusätzliches Personal. Der Militärexperte sagt, dass die Ausbildung derjenigen, die dank der neuen Gesetze eingezogen werden könnten, drei bis sechs Monate dauern werde. "Es müssen Menschen kämpfen. Denn ohne Menschen, die die Verteidigung aufrechterhalten können, sind Granaten, Kugeln, Raketen, Drohnen und all die Technologien nur ein Stück Eisen. Wir brauchen wirklich eine Mobilisierung", betont Jakubez.

Die ukrainischen Behörden haben die genaue Zahl der Rekruten, die in diesem Jahr in die ukrainische Armee eingezogen werden, nicht bekannt gegeben. "Wir brauchen keine halbe Million", sagte Präsident Selenskyj Anfang April. Diese Zahl hatte vergangenes Jahr der damalige Oberbefehlshaber, Walerij Saluschnyj, ins Gespräch gebracht.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

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